Urteil als Volltext
In dem Rechtsstreit
des Herrn,
Kläger,
Proz.–Bev.: -
gegen
die Barmenia Krankenversicherung AG, gesetzlich vertreten durch den Vorstand Dr. Andreas Eurich (Vorsitzender), Frank Lamsfuß, Ulrich Lamy und Carola Schroeder, Barmenia-Allee 1, 42119 Wuppertal,
Beklagte,
Proz.-Bev.: BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte PartG mbB, Theodor-Heuss-Ring 13-15, 50668 Köln,
hat das Landgericht Frankfurt am Main, 23. Zivilkammer, durch Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Gebhardt als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 2020 für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.771,14 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 21.11.2019 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Feststellungsantrags betreffend den Vertrag des Klägers in Bezug auf die Erhöhungen im Tarif VC3P mit GZN10 zum 01.01.2010, 01.01.2011, 01.01.2012 und zum 01.01.2016 sowie im Tarif KT42 zum 01.01.2011, 01.01.2012 und 01.01.2018 in der Hauptsache erledigt ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 56 % und die Beklagte 44 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger unterhielt bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Barmenia Krankenversicherung a.G., für sich unter der Vers.-Nr. und für seine Tochter xxxxx unter der Vers.-Nr. verschiedene Krankenversicherungen. Für den Kläger bestanden unter anderem eine Krankheitskostenversicherung (Tarif VC3P mit GZN10, dem Zuschlag nach § 149 VAG), eine Krankenhaustagegeldversicherung (Tarif KH) und eine Krankentagegeldversicherung (Tarif KT42). Für die Tochter des Klägers bestand unter anderem bis 2016 eine Krankheitskostenversicherung (Tarif VC3P). Die ursprünglichen Versicherungsscheine und Versicherungsbedingungen zu diesen Verträgen sind nicht vorgelegt worden.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten erhöhte wiederholt die monatlichen Beiträge zu den genannten Versicherungen. Ab 2010 erhöhte sich der Tarif des Klägers VC3P nebst GZN10 um 59,01 € +4,90 €. Ab 2011 erhöhten sich die Tarife des Klägers VC3P nebst GZN10 um 35,18 € + 3,48 € und KT42 um 4,30 €, außerdem der Tarif der Tochter VC3P um 13,16 €. Ab 2012 erhöhten sich die Tarife des Klägers VC3P nebst GZN10 um 34,12 € + 3,41 € und KT42 um 4,30 €. Ab 2015 erhöhte sich der Tarif der Tochter VC3P um 12,40 €. Ab 2016 erhöhte sich der Tarif des Klägers VC3P nebst GZN10 um 41,26 € + 4,11 €. Ab 2018 erhöhte sich der Tarif des Klägers KT42 um 5,92 €. Ab 2019 erhöhten sich die Tarife des Klägers VC3P nebst GZN10 um 69,62 € + 6,96 € und KH um 0,85 €. Zu den Erhöhungen übermittelte die Rechtsvorgängerin der Beklagten jeweils neue Nachträge zu dem Versicherungsschein und weitere Informationen. Wegen der Einzelheiten wird auf diese verwiesen (Anl. KGR 1 ff., KGR 5 ff. d.A.).
Der Kläger meint, die Beitragserhöhungen seien ursprünglich unwirksam gewesen, da die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Erhöhungen nicht ausreichend begründet habe. Eine bloß formelhafte Begründung sei nicht ausreichend, vielmehr müsse konkretes Zahlenmaterial benannt werden, damit der Versicherungsnehmer die Vertragsanpassung nachvollziehen und überprüfen oder überprüfen lassen könne. Zumindest müsse eine Subsumtion unter die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Prämienerhöhung möglich sein, damit wenigstens eine Plausibilitätskontrolle erfolgen könne, jedenfalls durch eine fachkundige Person.
Der Kläger behauptet, er habe mit anwaltlichem Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 29.08.2019 die Unwirksamkeit der Beitrags erhöhungen geltend gemacht und die Beklagte unter Fristsetzung von zwei Wochen zur Rückzahlung des auf die Erhöhungen gezahlten Prämienanteils einschließlich Nutzungen aufgefordert. Im Falle des Bestreitens werde das Schreiben vorgelegt. Tatsächlich hat der Kläger kein solches Schreiben vorgelegt.
Außerdem behauptet er, die Beklagte habe mit Schreiben vom 04.09.2019 die Zahlungsaufforderung zurückgewiesen. Auch dieses Schreiben hat der Kläger nicht vorgelegt.
Mit der Klage beansprucht der Kläger die Erstattung überzahlter Beiträge für den Zeitraum bis Oktober 2019 zuzüglich einer pauschalen „Nutzungsentschädigung“ in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Aufstellung Anl. KGR 10 (Bl. 61 ff. d.A., besser lesbare Version der ersten beiden Tabellen BI. 76 f. d.A.) verwiesen, wobei die Zahlen als solche nicht streitig sind. Ursprünglich hat der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der genannten Erhöhungen und einer weiteren betreffend den Vertrag seiner Tochter um 37,44 € sowie Zahlung von 25.849,33 € nebst Zinsen beantragt. Er hat vor der mündlichen Verhandlung den Zahlungsantrag auf den jetzigen Betrag und den Antrag hinsichtlich der Feststellung der Unwirksamkeit der Erhöhungen betreffend den Vertrag seiner Tochter zurückgenommen. Nachdem die Beklagte in der Klageerwiderung durch die Benennung der „auslösenden Faktoren“ die Begründung nachgeholt hat, hat er den Feststellungsantrag im Übrigen einseitig für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigung nicht angeschlossen.
Der Kläger beantragt nunmehr noch,
- festzustellen, dass der Feststellungsantrag – unter Berücksichtigung der teilweisen Klagerücknahme – ursprünglich zulässig und begründet war;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.736,37 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 05.09.2019 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Auslagen in Höhe von 1.832,01 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie meint, die Begründungen der Beitragserhöhungen seien ausreichend. Eine ausführliche Begründung sei nicht erforderlich. Der Feststellungsantrag sei daher von Anfang an unbegründet gewesen, so dass keine Erledigung eingetreten sei. Jedenfalls wirke sich eine unzureichende Anpassungsmitteilung nur für den Zeitraum bis zur nächsten – wirksamen – Anpassung aus, dadurch erfolge eine wirksame vollständige Neufestsetzung. Im Übrigen dürfe eine materiell richtige Beitragsanpassung nicht allzu leicht für unwirksam erklärt werden, denn eine auch nur vorübergehende Äquivalenzstörung sei im Interesse der Beitragsstabilität zu verneinen.
Die Beklagte bestreitet, dass die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers außergerichtliche Tätigkeit entfaltet hätten.
Die Beklagte beruft sich außerdem auf Verjährung sämtlicher Ansprüche bis einschließlich 2015. Sie meint, für die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis genüge die Mitteilung über die Beitragsanpassung.
Der Kläger meint dazu, die Verjährungsfrist beginne erst mit der hinreichenden Begründung der Beitragserhöhung. Die Herleitung der Rechtslage bei komplizierten wirtschaftlichen Zusammenhängen im Bereich des Versicherungsrechts sei ihm als Laien nicht möglich. Er habe davon ausgehen dürfen, dass die Beitrags erhöhungen zutreffend gewesen seien, dies sei jedenfalls nicht grob fahrlässig.
Die Klage ist am 21. November 2019 zugestellt worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat teilweise Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 9.771,14 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1.Alt. BGB. In dieser Höhe zahlte er im Zeitraum von 2016 bis Oktober 2019 Beiträge an die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin ohne rechtlichen Grund. Die angegriffenen Beitragserhöhungen für die Jahre 2010 bis 2018 waren mangels ausreichender Begründung unwirksam. Erst die Erhöhung für das Jahr 2019 war wirksam, ohne jedoch die früheren Erhöhungen heilen zu können. Zahlungsansprüche aus der Zeit bis Ende 2015 sind aber verjährt.
Die Beitragserhöhungen für die Jahre 2010, 2011, 2012, 2015, 2016 und 2018 waren zunächst unwirksam, da entgegen § 203 Abs. 5 WG die „hierfür maßgeblichen Gründe“ ursprünglich nicht mitgeteilt wurden. Nicht ausreichend begründete Prämienanpassungen lösen keine Zahlungspflicht aus (vgl. BGHZ 220, 297 Rn. 65).
Das Gericht geht dabei davon aus, dass die betroffenen Versicherungen sämtlich solche sind, bei denen das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen ist (§ 203 Abs. 2 Satz 1 WG). Mangels Vorlage der Versicherungsverträge kann das Gericht dies nicht unmittelbar prüfen, versteht den Vortrag der Parteien aber so, dass diese stillschweigend davon ausgehen, dass dem so ist.
In der Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 WG zur Begründung der Prämienanpassung ist die Rechnungsgrundlage zu nennen, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat, also die Veränderung der Leistungsausgaben bzw. Versicherungsleistungen und/oder der Sterbewahrscheinlichkeit bzw. Sterbetafeln, weil die Veränderung zumindest einer dieser beiden Rechnungsgrundlagen oder ggf. auch beider in § 155 VAG ausdrücklich als Voraussetzung für eine Prämienanpassung genannt sind. Dabei muss die Benennung der Rechnungsgrundlage auch und gerade bezogen auf die konkrete Prämienanpassung erfolgen. Nicht ausreichend ist insofern, dass in Informationsblättern allgemein darauf hingewiesen wird, dass eine Veränderung einer der beiden genannten Rechnungsgrundlagen eine Prämienanpassung auslösen kann, ohne klar darauf hinzuweisen, welche geänderte Rechnungsgrundlage für die in Rede stehende konkrete Prämienerhöhung maßgeblich war. Eine bloße Erläuterung der allgemeinen gesetzlichen und tariflichen Grundlagen reicht nicht aus. Weitere Anforderungen an die Mitteilung sind dagegen nicht zu stellen (OLG Stuttgart v. 06.06.2019 – 7 U 237/18, Juris-Rn. 20 ff.; OLG Köln r+s 2020, 31, 35 f.; dass. v. 28.01.2020 – 9 U 138/19, Juris Rn. 76 ff.).
Diesen Anforderungen genügen die Mitteilungen für die Jahre 2010 bis 2018 nicht. In den jeweiligen Anschreiben wird schon gar kein Versuch unternommen, konkrete Beitragserhöhungen zu begründen, sondern finden sich nur allgemeine Ausführungen. In den „Wichtige[n] Informationen“ für die Jahre 2011, 2012, 2015 und 2016 werden ebenfalls nur allgemeine Ausführungen zu Kostensteigerungen gemacht, ohne dass diese in Bezug zu einer konkreten Prämienanpassung gesetzt werden. In der Rubrik „Hintergründe zur Beitragsanpassung“ (2011 und 2012) finden sich nur abstrakte Rechtsausführungen. Die Rubrik „Warum Ihr Beitrag steigt“ (2015) erhebt zwar in der Überschrift den Anspruch, eine Begründung zu liefern, erschöpft sich im Übrigen aber wiederum in abstrakten Rechtsausführungen. In der Version für 2016 und 2018 wird dann schon wieder auch in der Überschrift nur abstrakt gefragt „Weshalb müssen die Beiträge angepasst werden?“, ohne dass eine konkrete Antwort für die den Kläger betreffenden Beitragserhöhungen gegeben würde.
Erst in den „Detaillierte[n] Gründe[n] und Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2019″ werden in der Rubrik „Wie kommt es zu der Beitragsanpassung in meinen Tarifen?“ konkret die Beitragserhöhungen und die dafür jeweils maßgeblichen Gründe benannt.
Anders als die Beklagte meint, ist eine Heilung der formell unwirksamen Erhöhungen nicht bereits durch die den unwirksamen Erhöhungen nachfolgende wirksame Erhöhung für das Jahr 2019 eingetreten. Zwar wird die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie in § 203 Abs. 5 WG angeordnete Frist in Lauf gesetzt, wenn eine Mitteilung der Prämienanpassung zunächst ohne eine den Anforderungen dieser Norm genügende Begründung erfolgt, diese aber später nachgeholt wird (BGHZ 220, 297 Rn. 66 ff.). Die Mitteilung zur Prämienerhöhung für das Jahr 2019 holt aber keine Begründung für frühere Prämienerhöhungen nach, sie bezieht sich nur auf die darin genannten Erhöhungsbeträge, nicht aber auf die früheren Erhöhungsbeträge, erst recht nicht auf die früheren Erhöhungsbeträge in dem Tarif der Tochter (vgl. OLG Köln v. 28.01.2020 – 9 U 138/19, Juris Rn. 144 f.).
Dem Kläger stehen nur Ansprüche aus der Zeit ab 2016 zu, da die Rückforderungsansprüche für die Zeit davor verjährt sind. Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Versicherungsnehmer die Mitteilung über die Beitragserhöhung zugegangen ist. Der Rückforderungsanspruch entsteht gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit der jeweiligen monatlichen Zahlung der überhöhten Prämie. Die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis des Klägers von den den Anspruch begründenden Umständen liegt mit dem Erhalt der jeweils aus dem November des Vorjahres datierenden Anpassungsschreiben vor (vgl. im Ergebnis BGHZ 220, 297 Rn. 72).
Die erforderliche Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen setzt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nicht voraus, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen auch die richtigen rechtlichen Schlüsse zieht, diese also zutreffend rechtlich würdigt. Daher beeinflussen rechtlich fehlerhafte Vorstellungen seinerseits den Beginn der Verjährung in der Regel nicht, zumal er sich jederzeit rechtlich beraten lassen kann. Nur ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis den Verjährungsbeginn hinausschieben. Dies kommt in Betracht, wenn die Rechtslage im Einzelfall so unübersichtlich oder zweifelhaft ist, dass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (BGHZ 221, 253 Rn. 18 f.; stRspr). Ein solcher Fall liegt aber in der vorliegenden Konstellation nicht vor. Dafür genügt nicht, dass bislang keine höchstrichterliche Entscheidung zu den Begründungsanforderungen an Beitragserhöhungen existiert (vgl. OLG Köln v. 28.01.2020 – 9 U 138/19, Juris-Rn. 167 ff.).
Der Anspruch von 9.771,14 € ergibt sich dann aus 46 * (168,71 € + 16,76 €) für den Tarif VC3P nebst GZN10 des Klägers für den Zeitraum von Januar 2016 bis Oktober 2019 zuzüglich 24 * 7,68 € für den Tarif KT42 für die Jahre 2016 und 2017 zuzüglich 22 * 13,60 € für den Tarif KT42 für den Zeitraum von Januar 2018 bis Oktober 2019 zuzüglich 12 * 63 € für den Tarif VC3P der Tochter für das Jahr 2016.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz als gezogene Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB. Ein Versicherungsnehmer, der vom beklagten Versicherer die Herausgabe von Nutzungen aus rechtsgrundlos geleisteten Beitragszahlungen verlangt, muss zu Anfall und Höhe tatsächlich gezogener Nutzungen Vortrag halten, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung der Gewinnerzielung in bestimmter Höhe – etwa, wie hier, in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz-gestützt werden kann (BGH NJW 2016, 1388 Rn. 47 ff.; BGH NJW-RR 2018, 1368 Rn. 34; speziell zur vorliegenden Konstellation BGHZ 220, 297 Rn. 20).
Der Zinsanspruch folgt aus § 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ein früherer Verzugseintritt, der einen Anspruch nach § 288 Abs. 1 BGB auslösen könnte, ist nicht ersichtlich. Er ergibt sich nicht aus dem behaupteten Schreiben vom 29.08.2019 als Mahnung (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB), da davon auszugehen ist, dass dieses Schreiben nicht existiert oder jedenfalls nicht den behaupteten Inhalt hat, nachdem der Kläger es trotz Bestreitens der Beklagten nicht vorgelegt hat. Gleiches gilt für das behauptete Schreiben der Beklagten vom 04.09.2019, das sonst eine Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich hätte machen können.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Selbst wenn das Schreiben vom 29.08.2019 mit dem behaupteten Inhalt existieren würde und vorgerichtliche Anwaltskosten ausgelöst hätte, könnte der Kläger keine Freistellung von diesen verlangen, da sie nicht durch einen Verzug der Beklagten verursacht wären.
Hinsichtlich des einseitig für erledigt erklärten ursprünglichen Feststellungsantrags ist die Erledigung bezüglich der Erhöhungen im Tarif VC3P mit GZN10 zum 01.01.2010, 01.01.2011, 01.01.2012 und zum 01.01.2016 sowie im Tarif KT42 zum 01.01.2011, 01.01.2012 und 01.01.2018 festzustellen. Nicht festgestellt werden kann die Erledigung bezüglich der Erhöhung in den Tarifen VC3P nebst GZN 10 und KH zum 01.01.2019.
Der Antrag des Klägers auf Feststellung, der (anfängliche) Feststellungsantrag sei ursprünglich zulässig und begründet gewesen, ist als Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache auszulegen. Ein solcher Antrag hat Erfolg, wenn der ursprüngliche Klageantrag im Zeitpunkt des nach Zustellung der Klage eingetrete nen Ereignisses zulässig und begründet war und durch dieses Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist (BGH NJW-RR 2020, 125 Rn. 9; stRspr).
Der Feststellungsantrag war zulässig. Ihm fehlte nicht das Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO), weil der Kläger zugleich Leistungsklage auf Rückforderung der überzahlten Beiträge erhoben hatte. Allein mit dem Leistungsurteil wird nicht rechtskräftig festgestellt, dass er zukünftig nicht zur Zahlung der sich aus den Beitragsanpassungen ergebenden Erhöhungsbeträge verpflichtet ist (vgl. BGHZ 220, 297 Rn. 17).
Der Feststellungsantrag war auch bis auf die Beitragserhöhung für das Jahr 2019 begründet, wie aus den obigen Ausführungen ersichtlich ist. Er ist durch die Nachholung der Begründung der Beitragserhöhungen in der Klageerwiderung nach Zustellung der Klage unbegründet geworden, soweit er sich auf die Zeit danach bezieht, und unzulässig geworden, soweit er sich auf die Zeit davor bezieht, da nunmehr das Feststellungsinteresse weggefallen ist. Die Benennung der „auslösenden Faktoren“ in der Klageerwiderung hat die fehlenden bzw. unzureichenden Begründungen der Beklagten für die Prämienerhöhungen geheilt. Wie oben ausgeführt ist eine solche Heilung durch Nachholen der Begründung möglich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 u. 2 ZPO.
Dr. Gebhardt